How To Hörspaziergang
Ein Leitfaden zur Produktion von Audiowalks
AUDIOWALK und HÖRSPAZIERGANG sind Begriffe, die bis jetzt keine feste Definition und kein eindeutiges Zuhause gefunden haben. Worauf sich wohl die meisten einigen können: Bei einem Audiowalk hörst du beim Gehen z.B. über Kopfhörer ein Hörstück, das sich auf den Ort bezieht, an dem du bist. Audiowalks können Elemente von Performance, Tanz und Theater enthalten, sie können reine Klangkunst-Projekte sein, sie können als Hörspiele im öffentlichen Raum oder als Streetgames funktionieren, sie können Vermittlungs-, Beteiligungs- und soziokulturell inspirierte Projekte sein. Allen Formen ist gemein, dass durch die Überlagerung von realem und medialem Raum sowie durch die Gleichzeitigkeit von imaginiertem und physischem Erlebnis, eine ganz besondere ortsbezogene ästhetische Erfahrung entsteht.
Ein gelungener Hörspaziergang ist ein gemeinsamer Tanz von Ort, Inhalt, Gestaltung und Technik. Was helfen kann, dass die vier Elemente einen Rhythmus finden, ohne einander beim Tanzen auf die Füße zu treten, haben wir mit How to Hörspaziergang zusammengetragen.
Du findest hier eine Sammlung von Hintergrundinformationen, Good-Practice-Beispielen, praktischen Tipps und theoretischen Überlegungen, die aus unserer eigenen künstlerischen Praxis heraus entstanden ist. Ein „Work in Progress“, so wie die Kunstform Audiowalk selbst.
Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir in der Regel das generische Femininum und hoffen, dass mit dieser grammatikalischen Form alle Geschlechter inkludiert sind.
Natürlich möchtest du bis zum Ende des Audiowalks niemanden in Gefahr bringen. Also bringst du in deiner Einleitung einen warnenden Hinweis unter ... Jedoch sind wir hier schnell bei einem Dilemma, denn zu viel „Beachte dies ...!“ und „Vergiss nicht, dass ...!“ ermüden das Publikum und erhöhen die Sicherheit vermutlich eher nicht. Hier ist Fingerspitzengefühl und Kreativität gefragt. An wen richtet sich der Walk, wie viel „Ermahnung“ willst du unterbringen und wie kannst du sie „verpacken“? Ein schönes Beispiel für einen Audiowalk, der das ganz spielerisch angeht, ist die Geschichte der StadtSpürnasen in Dortmund. Hier wird ein Protagonist zum Mahner, während eine andere Akteurin ihn mit seiner Besorgnis auf den Arm nimmt. So kommt eine witzige Note dazu und das Thema bleibt doch präsent.
Besonders durch die Arbeit mit 3D-Sounds wird das Hören zu einem immersiven Erlebnis (→ IMMERSION), zu einem klanglichen Eintauchen. Mit binauralen Mikrofonen und ggf. zusätzlich einem Kunstkopf lassen sich Geräusche dreidimensional einfangen. Beim Abspielen klingt der virtuelle Raum täuschend echt, er verwebt sich mit dem realen Raum und seinen Livegeräuschen. Das kann sehr eindrücklich sein, wenn zum Beispiel ein Auto auf der Tonspur an den Hörerinnen vorbei saust.
Der überwiegende Teil des Sounddesigns entsteht erst, wenn das Skript fertig ist. Es ist aber sinnvoll, das Sounddesign im Skript vorzudenken und die Tongestalterin in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen, so kann sie ggf. schon früh genug Musik komponieren oder Field-Recordings machen. Außerdem kann das Sounddesign auch Einfluss auf das Skript haben: so kannst du vielleicht den Sound für sich allein sprechen lassen und ohne Sprache die Geschichte weitererzählen.
Klanglandschaften umfassen nicht nur Landschaften, sondern auch Städte, Straßen, Innenhöfe oder auch das eigene Zimmer. R. Murray Schafer hat in seinem Buch Anstiftung zum Hören eine Vielzahl von Übungen und Methoden zusammengestellt, mit denen du dein Ohr schärfen kannst, um die Soundscapes deiner Umgebung deutlicher und differenzierter zu hören. Eine davon ist der → SOUNDWALK. Manche dieser Übungen kannst du auch gut in deinen eigenen Audiowalk integrieren.
Bei einem Soundwalk im Sinne von Schafer werden die Teilnehmenden ohne Kopfhörer durch ein bestimmtes Gebiet geführt. In der ursprünglichen Konzeption, wie sie seit den 1970er Jahren auch die kanadische Komponistin Hildegard Westerkamp durchführt, werden die Soundwalks schweigend durchgeführt, erst im Anschluss werden die subjektiven Hörerfahrungen in der Gruppe ausgetauscht. Wenn du zum ersten Mal an solch einem Soundwalk teilnimmst, wird das vielleicht ein im wörtlichen Sinne Ohren öffnendes Erlebnis. Plötzlich hörst du eine Vielzahl alltäglicher Klänge – Türenschlagen, Windrauschen, Gesprächsfetzen –, denen du gewöhnlich gar keine Beachtung schenken würdest.
Das klassische Format dieser Soundwalks hat sich mittlerweile geöffnet, sie sind kritisch oder meditativ, pädagogisch oder künstlerisch-performativ, die Übergänge sind fließend. Die Teilnehmenden können dabei in unterschiedlicher Form eingebunden sein: vom stillen, konzentrierten Zuhören bis zum aktiven Erzeugen von Klängen im Zusammenspiel mit der Umgebung, z. B. durch die Aufforderung, einem Treppengeländer oder einer Schaukel Töne zu entlocken (→ INTERAKTION). Dementsprechend werden mittlerweile auch die Bezeichnungen solcher Walks ganz unterschiedlich angewandt: Stehen die Klänge bei einer Audioarbeit im Vordergrund, wird vielleicht eher von Soundwalk gesprochen. Aber auch ein Audiowalk kann die Teilnehmenden unterwegs dazu auffordern, die Kopfhörer abzunehmen und auf die Klänge der Umgebung zu lauschen, eigentlich ein typisches Soundwalk-Merkmal. Hier gibt es keine festen Regeln, alle Mischformen sind möglich, sowohl in der Konzeption als auch in der Namensgebung. Die Macherinnen haben das letzte Wort.
Die Initiative für dieses Projekt kam vom Kulturkosmos Leipzig e.V. Die inhaltliche Umsetzung lag bei den Soundmarkern, dem Labor für ortsbezogene Audioarbeiten. Technische und inhaltliche Beratung bekamen wir von Guidemate, der Plattform für Audiowalks.
Projektträger
Autor*innen
Beratung
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