How To Hörspaziergang
Ein Leitfaden zur Produktion von Audiowalks

AUDIOWALK und HÖRSPAZIERGANG sind Begriffe, die bis jetzt keine feste Definition und kein eindeutiges Zuhause gefunden haben. Worauf sich wohl die meisten einigen können: Bei einem Audiowalk hörst du beim Gehen z.B. über Kopfhörer ein Hörstück, das sich auf den Ort bezieht, an dem du bist. Audiowalks können Elemente von Performance, Tanz und Theater enthalten, sie können reine Klangkunst-Projekte sein, sie können als Hörspiele im öffentlichen Raum oder als Streetgames funktionieren, sie können Vermittlungs-, Beteiligungs- und soziokulturell inspirierte Projekte sein. Allen Formen ist gemein, dass durch die Überlagerung von realem und medialem Raum sowie durch die Gleichzeitigkeit von imaginiertem und physischem Erlebnis, eine ganz besondere ortsbezogene ästhetische Erfahrung entsteht.
Ein gelungener Hörspaziergang ist ein gemeinsamer Tanz von Ort, Inhalt, Gestaltung und Technik. Was helfen kann, dass die vier Elemente einen Rhythmus finden, ohne einander beim Tanzen auf die Füße zu treten, haben wir mit How to Hörspaziergang zusammengetragen.
Du findest hier eine Sammlung von Hintergrundinformationen, Good-Practice-Beispielen, praktischen Tipps und theoretischen Überlegungen, die aus unserer eigenen künstlerischen Praxis heraus entstanden ist. Ein „Work in Progress“, so wie die Kunstform Audiowalk selbst.
Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir in der Regel das generische Femininum und hoffen, dass mit dieser grammatikalischen Form alle Geschlechter inkludiert sind.
Einer der ersten Audiowalks ist Walkman Berlin 1986 von Fluxus-Künstler Willem de Ridder (zusammen mit Cora de Ridder und Alvin Curran). Angekündigt wurde die Arbeit als Radio-Art-Spaziergang im Rahmen eines Berliner Musikfestivals. Die Künstlerinnen selbst nannten ihre Arbeit auch Walkman-Theater oder Sono-Theater, die Rezipientinnen waren „Schauspieler und Zuschauer zugleich“.
Der Begriff Audiowalk taucht ab den 90ern vor allem im Zusammenhang mit den Arbeiten von Janet Cardiff vermehrt auf. Cardiff entwickelte eine Form, die bis heute zahlreiche Audiowalks und ähnliche Arbeiten prägte. Bezeichnend für ihre Stücke ist, dass sie mit Kunstkopf und binauralen Mikrofonen arbeitet. Ihre Aufnahmen entstehen meist am Ort der Rezeption. Die mediale akustische Umgebung lässt sich daher beim Hören und Gehen nicht mehr klar von der realen akustischen Umgebung unterscheiden, wodurch eine dritte Wirklichkeit (→ DRITTER RAUM) entsteht.
Das Ursachen-Hören: Hier geht es darum, sich beim Hören im Alltag zurechtzufinden, Dinge zuzuordnen oder ihre Herkunft zu erklären. Beim Ursachen-Hören versuchen wir, die Ursache eines Geräusches zu klären. Es ist wohl die gängigste Form des Hörens. „Ich höre Rauschen, das muss der Wind sein. Ich höre Trappeln hinter mir, das müssen Schritte sein.“ Mit Geräuschen dieser Art kannst du bei deinem Walk spannende Effekte erzielen.
Das Hören auf Bedeutungen: Hier geht es um die Interpretation von Sprache oder einem Code. Man hört Radio und folgt dem Inhalt der Nachrichten, achtet dabei nicht auf die Stimme. Beim Hören von Musik taucht es auf: Wenn wir Melodien, Stile und Genres wiedererkennen, dann hören wir auf die Codes und Semantik der Musik.
Das reduzierte Hören: Wenn weder die Ursache eines Klangs noch die Bedeutung der Worte eine Rolle spielt, sondern einfach der Klang in seiner puren Klanglichkeit: Die sanfte Klarheit eines Akkords, die Rauheit eines Geräuschs. Und das alles ganz unabhängig davon, was die Klangquelle ist. Das reduzierte Hören ist schwer fassbar und gleichzeitig Hören pur.
Nebenbei-Hören: Was eben so auf uns einströmt, wie zum Beispiel die Atmo einer Stadt, die hintergründig auf dich einwirkt. Hier setzt das verwandte Genre der Soundwalks an, zum Beispiel von Barry Truax oder Hildegard Westerkamp. Sie versuchen, das passive Nebenbei-Hören aufzubrechen und, ohne zu sprechen, in geführten Hörspaziergängen (→ SOUNDWALK) genau auf die Geräusche der Welt zu hören. Die Ohren reinigen, schärfen. Ear-Cleaning.
Wie kann man diese Aufteilung für Audiowalks fruchtbar machen? Im ersten Schritt könnte man eigene oder andere Walks auf die jeweiligen Hörweisen hin analysieren. Welche Art des Hörens wird wohl in der Eingangsszene des Walks angeregt? Welche danach? Treten Sounds und Klänge so auf, dass sie eher Ursachen-Hören anregen oder auch das reduzierte Hören?
Vielleicht könnte man folgende Qualitäts-Regel aufstellen: ein guter Audiowalk schafft es, erstens die unterschiedlichen Hörweisen (auch neue Hörweisen kann man sich hier vorstellen) anzuregen und diese – zweitens – auch gelungen miteinander zu kombinieren.
Die Initiative für dieses Projekt kam vom Kulturkosmos Leipzig e.V. Die inhaltliche Umsetzung lag bei den Soundmarkern, dem Labor für ortsbezogene Audioarbeiten. Technische und inhaltliche Beratung bekamen wir von Guidemate, der Plattform für Audiowalks.
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